So, nun ist es endlich soweit … unser knapp sechs Jahre alter Grützereaktor hat 100.000 Kilometer auf dem Tacho. Dies ist eine durchaus heikle Angelegenheit:
- Zum einen muss genau bei 100.000 die Wartung durchgeführt werden.
- Wenn dies zu früh geschieht, können die Grützebrennstäbe implodieren.
- Wenn dies zu spät geschieht, explodieren die Brennstäbe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz sicher.
- Dies ist wiederum besonders ärgerlich, weil die Clearingstelle zum aufwischen der potentiellen Sauerei am Wochenende nicht arbeitet.
Nun, weiterhin muss der Reaktor behutsam heruntergefahren werden, d.h. langsam ausbremsen – quasi auf dem Verzögerungsstreifen.
Dies kann man hier auf dem Foto deutlich erkennen:
Hier tritt der Kollege behutsam auf die Bremse – durch den ungeheuren Druck, der um den Reaktor herum herrscht, konnte ich leider nur ein etwas schiefes Bild schießen. Daher bin ich froh, hier nur für’s Gas-geben zuständig zu sein – auch in unserem Kraftwerksforum – das Abbremsen ist eine wirklich heikle Angelegenheit. Abgesehen davon: bei der letzten Bremsung gingen so ein bis zwei kleinere Störfälle auf mein Konto, das will ich heute nicht riskieren.
Und hier nun der vollständig heruntergebremste Reaktor:
Hier sieht man auch den Bremsweg … um die 2.000 Meter braucht der Kern, um von knapp 50 auf 0 runterzukommen – damit man sich’s vorstellen kann ist das eine Strecke, die mindestens 10.000 ausgelegte Bratwürste am Stück brauchen würden!
Jedenfalls war’s wieder mal eine perfekte Bruch- … ääh Punktlandung (ganz ungewohnt) – am Montag werden wir sehen, ob alles viel zu glatt lief – bis dahin wir der Kern still stehen. Kollege Reaktorsicherheit und ich werden uns während der Wartungsarbeiten das ein- oder andere Gläschen Grütze einschenken und mal anderen Leuten bei der Arbeit zusehen.
Ja, ich erinnere mich, als wir bei letzten Wartung es gerade nochmal so geschafft haben, die Auswirkungen der Implosion der Brennstäbe des Fusionsreaktors durch die gezielt herbeigeführte Explosion des Spaltreaktors ausgleichen konnten. So konnten wir das Gebäude und die nähere Umgebung retten (Was der Denkmalschutz dann für einen Terz gemacht hätte will ich mir gar nicht ausmalen wollen – Weltkulturerbe und so. Aber da ginge es nicht um eine Brücke in der Elblandschaft, sondern um die Frage wohin man die Brücke dann überhaupt noch bauen soll. Aber ich darf nichts genaues geographisches verraten – sonst kommt jemand noch auf den genauen Standort unseres schnuckligen Kraftwerks), aber die beiden Reaktorbecken (na – wer konnte sich erinnern, wie dieser Satz angefangen hat, bevor die Klammern kamen?) mussten wir alle neu kacheln. Von der Riesensauerei will ich gar nicht reden.
Unglaublich:
Mit wachsender, ja fast unerträglicher Spannung las ich den atemberaubenden Bericht über das Herunterfahren des Grützereaktors bis zum Ende durch. Erst mal Glückwunsch zu dieser perfekten Bremspunktlandung. Den Kommentaren nach zu urteilen, war das früher nicht selbstverständlich und die Menschheit schrammte wohl knapp an ein Grützetschernobyl vorbei. Umso dankbarer konstatieren die Leser, dass man diesmal mit viel Grütze im Hirn dieses sensible Manöver bewerkstelligen konnte *aufschnauf*.
Bemerkenswert auch, für was ein VDO-Tacho alles herhalten muss und auch kann. Donnernder Applaus Richtung Hersteller!
So, nach dieser Aufregung muss ich mal durchatmen und meinen Rest kaltgewordener Grütze verzehren …